Warum wirklich jeder Krafttraining machen sollte

Warum wirklich jeder Krafttraining machen sollte

Kraft ist die Grundlage für jegliche Fertigkeit. In Kindertagen erlernen wir das Gehen, später das Radfahren und im Sportleistungskurs den Handstand. Erst in der Reflektion realisieren wir, dass fast jede Form der Bewegung eine Fertigkeit ist, welche erlernt werden muss. Von einfachen, für jeden selbstverständliche Bewegungen, bis hin zu komplexen turnerischen Elementen.

Ebenso lässt sich feststellen, dass selbst für simple Bewegungen ein gewisses Maß an Kraft nötig ist. So müssen wir alleine beim Einbeinstand, ein Vielfaches unseres Körpergewichtes stabilisieren. Beim Gehen erhöht sich dieser Wert auf der Vier- bis Fünffache und beim Sprinten sprechen wir über Krafteinwirkungen auf unsere Hüften jenseits vom Neun- bis Zehnfachen des Körpergewichts.

Wie werden wir stark genug?

Auch wenn komplexe Bewegungsmuster ein hohes Maß an Beweglichkeit, Balance oder Koordination erfordern, ist ein gewisses Maß an Kraft nötig, um diese auszuführen. Haben wir erst die grundlegende Kraft für eine Fertigkeit erreicht, können wir mit dem eigentlichen Üben beginnen. Ganz in Abhängigkeit von unserer Zielstellung, müssen wir also „stark genug“ dafür werden. Aber wie geht das?

Stellen wir uns mal folgendes Beispiel vor: Du möchtest eine einbeinige Kniebeuge schaffen. Diese Bewegung erfordert Beweglichkeit im Sprunggelenk, Balance und eine große Portion Kraft. Um Dein Ziel zu erreichen, machst Du neben Beweglichkeitsübungen, zwei- bis dreimal pro Woche ein Freeletics Workout. Zusätzlich machst Du täglich Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht.

Nach ein paar Wochen machst Du problemlos 300 Kniebeugen am Stück ohne Pause. Dein Ziel von der einbeinigen Kniebeuge ist allerdings noch meilenweit entfernt. Warum? Weil Du nicht stärker geworden bist, sondern „nur“ widerstandsfähiger gegen die Ermüdung.

So wird Dein Training intensiv genug

Um Dein Ziel zu erreichen, muss das Übungsniveau langfristig erweitert werden, sodass die ausgewählten Übungen anspruchsvoll bleiben. Das bedeutet, dass Du maximal mit 20 Wiederholungen pro Satz arbeiten solltest, um noch einen nennenswerten Effekt auf die Maximalkraft zu haben. Besser wären weniger, beispielsweise fünf Wiederholungen.

Ein blutiger Anfänger ist häufig noch nicht in der Lage sein Nervensystem vollständig auszureizen. In diesem Fall sind auch höhere Wiederholungszahlen ausreichend und lohnenswert, um Fortschritte zu erzielen und die Bewegungsqualität zu schulen. Um den Kraftanspruch einer Übung zu erhöhen, kannst Du zum Beispiel ein Zusatzgewicht verwenden, einseitig trainieren oder die Ausführung anspruchsvoller gestalten.

Grundsätzlich gilt: Bei niedrigen Wiederholungszahlen eignet sich eine höhere Satzanzahl, um ausreichend Gesamtwiederholungen in der Trainingseinheit zu absolvieren. Bei fünf schweren Wiederholungen, kannst Du Dich an vier bis sechs Sätzen orientieren. Schwere Trainingssätze brauchen eine längere Regenerationspause, als leichte Trainingssätze, wie beim Kraftausdauertraining, da sich das zentrale Nervensystem stärker erholen muss.

Nimm Dir zwischen den Sätzen zwei bis fünf Minuten Pause (Fortgeschrittene brauchen in der Regel mehr Pause, als Anfänger) und plane auf dem Weg zur einbeinigen Kniebeuge zwischen den Trainingseinheiten auch freie Tage ein. Selbstverständlich lässt sich ein solches Training auch wunderbar mit einem Kraftausdauer- oder einem Ausdauertraining kombinieren.

So wird Dein Training intensiv genug

Für eine genaue Übungsanleitung zur einbeinigen Kniebeuge, schau doch mal hier vorbei.
Und wenn Du noch mehr zu den Grundlagen des Kraft- und Körpergewichtstrainings erfahren möchtest, dann empfehlen wir Die unsere Podcast-Folgen (#2) So lernst Du Bewegungen, (#3) Kraft zuerst und (#45) Training mit dem eigenen Körpergewicht.

Training auf instabilen Flächen

Training auf instabilen Flächen

Hast Du schon einmal versucht eine Kniebeuge auf einer instabilen Fläche zu machen? Bestimmt. Und hat er geklappt? Vielleicht nicht direkt beim ersten Mal, aber sobald man sich an das Wackeln gewöhnt hat, klappt auch die Kniebeuge. Ob auf einer Slackline, einem Stand-Up-Paddleboard oder auf einem Gymnastikball. Egal wo, wenn wir nur genügend Zeit damit verbringen, werden wir das irgendwann schaffen. Aber hast Du mal probiert auf der gleichen instabilen Fläche Dein 1RM im Back Squat zu bewegen? Das grenzt vermutlich als Unmögliche. Für maximalen Kraft-Output brauchen wir eine maximal stabile Fläche.

Die Tagesform ist entscheidend

„Aber auf einer instabilen Fläche trainiert man doch funktioneller, weil alles wackelt und wir die Tiefenmuskulatur trainieren.“ Falsch! Ob eine Übung funktionell ist, bezieht sich immer auf eine Person oder auf eine Sache. Für Bodybuilder:innen ist der Bizeps Curl sehr funktionell, wohin gegen Tennisprofis, ganz andere Inhalte in ihrem Athletiktraining brauchen. Es kommt also immer drauf an.

Außerdem haben wir gar keine Tiefenmuskulatur. Das kann jeder gerne mal im Anatomieatlas nachschauen, aber da finden wir diesen Begriff gar nicht. Deswegen werden wir uns diesem Thema auch in einem separaten Artikel noch einmal genauer anschauen.

Und wisst Ihr warum Sprinter:innen mit Spikes laufen, mit denen sie sich in den Boden krallen können? Oder warum starten Sprinter:innen aus dem Block? Weil die Kraftentwicklung beim Start so hoch ist, dass ein Übertrag der Kraft auf den Boden und damit die Vorwärtsbewegung unmöglich wäre. Es gibt nur wenige Sportarten, in denen ein sich ständig wechselnder Untergrund überwiegt.

Balancetraining ist immer aufgabenspezifisch

Nach einer gewissen Zeit können wir jetzt problemlos auf der Slackline stehen und dort auch in die Kniebeuge gehen. Bedeutet das dann, dass wir das jetzt auch auf dem Gymnastikball können? Vermutlich nicht, wenn wir das vorher nicht trainiert haben. Und genau da liegt das Problem. Balancetraining hat nur einen geringen Einfluss auf die allgemeine Balancefähigkeit. Dafür brauchen wir grundlegend nämlich erst einmal Kraft.

Und nur weil wir einbeinige Kniebeugen auf der Slackline machen, werden wir dadurch nicht unbedingt stärker. Natürlich ist das eine Herausforderung und auch deutlich schwieriger als auf dem Boden. Aber damit sich unser Gehirn an eine Bewegung gewöhnen kann, muss der Körper ein bestimmtes Kraftpotential entwickeln.

Die Anpassungen erfolgen dabei immer neuronal. Unser Gehirn lernt über Wiederholungen. Bei der ersten Kniebeuge ist alles noch recht wackelig und schwer zu kontrollieren. Aber nach dem 100sten Versuch klappt das schon besser. Warum ist das so?

Unser Körper folgt einem einfach Grundprinzip: Er passt sich an alles an, was er wiederholt machen muss. Wenn wir also viel Zeit damit verbringen Kniebeugen auf der Slackline zu lernen, dann kann unser Körper genau das. Kniebeugen auf einer Slackline.

Übertrag auf andere Sportarten

Aber ist die Fähigkeit für das Ausüben deiner Sportart wichtig? Diese Fragen sollten wir uns vor jedem neuen Trainingsreiz stellen. Klar brauchen wir Grundlagen und Zubringer, aber am Ende vom Tag muss unser Sprinter 100m geradeaus laufen. Und welchen Nutzen bietet dann die Kniebeuge auf der Slackline oder auf einem Gymnastikball? Gar keinen.

Aktuell kennen wir nur zwei Sportarten, mit sich ständig wechselnden Untergründen, in denen dieser Übertrag funktioniert. Beachvolleyball und Ski Alpin. Dabei ist es also durchaus sinnvoll eine instabile Fläche als Teil des Athletiktrainings mit einzubauen. Aber bei allen anderen Sportarten, bei denen der Untergrund stabil ist, muss sich unser Körper für maximale Leistungsfähigkeit auch bestmöglich an diese Situation anpassen. Und das funktioniert nicht auf einer instabilen Fläche.

Was also tun?

Wenn Du auf einer stabilen Fläche trainierst, wird sich Dein Körper genau daran anpassen. Wird während der Bewegung mehr Gewicht auf den Vorfuß abgegeben, kann Dein Gehirn das erkennen und abspeichern. Was meinst Du was passiert, wenn Du dabei auf einer Slackline stehst? Der Eindruck über die Außenwelt verrauscht. Wie bei einem Radio, das zwischen zwei Frequenzen hängt.

Das Gehirn kann die Eindrücke nicht zuordnen. Vor allem wenn Du nach dem Training auf einer instabilen Fläche dann wieder auf eine stabile Fläche wechselst. Der Körper passt sich eben an das an, was er wiederholt trainiert.

Willst Du Kraft trainieren? Dann mach das auf einer stabilen Fläche. Hier kannst Du dein volles Kraftpotential ausnutzen. Und diese grundlegende Kraft kann Dein Körper dann für spezifische Bewegungen nutzbar machen. Willst Du Balance trainieren? Dann mach das immer aufgabenspezifisch. Und stell Dir die Frage, ob Du das für Deine Sportart auch wirklich brauchst!

Verlauf der Rehabilitation

Verlauf der Rehabilitation

Es kann schwierig sein zu ermitteln, wie stark wir unsere Patient:innen während der Rehabilitation belasten können. Nach der Verletzung ist es unmöglich Maximalkrafttests durchzuführen, um beispielsweise das Einwiederholungsmaximum (1RM) im Back Squat oder im Deadlift zu bestimmen. Und auch die gemeinsame Therapiezeit ist immer nur ein kleiner Ausschnitt der gesamten Trainingswoche. Dabei haben wir es schon häufig erlebt, dass die einzelnen Einheiten unterschiedlich anstrengend wahrgenommen wurden. Das ist auch absolut in Ordnung, gerade in einem Wundheilungsprozess. Aber wie können wir die Progression der Rehabilitation objektiv bewerten und nachverfolgen?

Die Tagesform ist entscheidend

Der Verlauf der Rehabilitation ist meistens nicht linear, sondern eher wellenförmig ansteigend. Ist das eine Frage der Motivation? Ja und nein. Darauf gibt es keine definitive Antwort, weil zu viele Faktoren eine Rolle spielen: Art der Verletzung, individuelle Probleme oder andere Stoffwechselsituationen und damit unterschiedliche Wundheilungszeiten. Damit ist gerade in einer Rehabilitationsphase die Tagesform sehr entscheidend, und diese sollten wir während den Einheiten in der Praxis unbedingt beachten.

Da wir in den meisten Fällen das 1RM nicht mehr testen können, um dann die Methode von Trainingsprozentsätzen umzusetzen, müssen wir auf andere Maßnahmen zurückgreifen. Sich ständig auf den Schmerz zu fokussieren oder als Therapeut:in danach zu fragen, ist kontraproduktiv für die mentale Einstellung unserer Patient:innen. Außerdem muss das Problem gar nicht der Schmerz an sich sein, sondern kann sich auch in der Steifigkeit oder Instabilität der verletzten Körperregion ausdrücken.

Sicherlich ist es sinnvoll und auch die konkrete Zielstellung, dass wir während der akuten Wundheilungsphase schmerzadaptiert belasten. Aber sobald sich unsere Patient:innen in den fortschreitenden Phasen der Rehabilitation befinden und immer mehr belasten können, brauchen wir andere Methoden, um die Belastung während des Trainings messbar zu machen.

„Rate of Percieved Exertion“ (RPE) und „Reps in Reserve“ (RiR)

Dabei kommen aus meiner Sicht zwei Skalen in Frage. Mit der RPE-Skala beurteilen wir den subjektiv wahrgenommenen Grad der Anstrengung während der einzelnen Trainingssätze oder nach einer gesamten Trainingseinheit. Die RPE-Skala geht ursprünglich aus der Borg-Skala hervor, die wir hauptsächlich aus dem Ausdauersport kennen und wurde für den Kraftsport angepasst. Der Grad der Anstrengung wird zwischen den Werten 1 (sehr gering) und 10 (maximale Anstrengung) angegeben.

Bei der RiR-Skala, ist die Frage eher nach den Wiederholungen, die man nach dem abgeschlossenen Trainingssatz noch geschafft hätte. Wie viele Wiederholungen sind noch in Reserve? Die Werte liegen dabei zwischen 10+ (entspricht in etwa RPE 1) und 0 (also dem 1RM und damit RPE10). Auch die RiR-Skala lässt sich von der Borg-Skala ableiten.

Die Kombination der beiden Skalen, kann einen sehr guten Eindruck über den subjektiven Grad der Anstrengung geben. Es ist ein Ausdruck der Intensität der Einheit und kann von unseren Patient:innen autoregulativ angepasst werden. Damit sind Faktoren wie Schlaf, Ernährung, Regeneration oder Stress, in der Trainingsplanung berücksichtigt. Gerade bei unerfahrenen Patient:innen mit einem noch sehr jungen Trainingsalter, kann diese Einschätzung oft noch schwerfallen. Hier sollten wir als Trainer:innen unterstützen und die Vorgehensweise nach und nach in das Training mit einplanen.

Wie intensiv können wir belasten?

Was wir in den frühen Phasen der Wundheilung vermeiden müssen, sind Trainingsreize bis zum Muskelversagen. Da das Gewebe hier meistens noch nicht robust genug ist, um solchen Belastungen standzuhalten, ist der beste Parameter der Belastungsschmerz. Dieser darf während der Übung auftreten und sollte unmittelbar danach vollständig weg sein.

In der zweiten und dritten Phase der Rehabilitation, brauchen wir funktionelle Reize, die das Gewebe wieder an die strukturelle Belastung gewöhnen. Nur mit diesen Informationsreizen über die Funktion des Gewebes, können sich Fasern entsprechend ausrichten und sich untereinander organisieren. Eine Überlastung kann im dümmsten Fall zu einer erneuten Gewebeschädigung und damit zum Funktionsverlust führen.

Deswegen sollten wir in der Rehabilitation mit der Zielvorgabe RPE 6 – 8 trainieren. Mit dieser Intensität wirken wir positiv auf den Schlaf und die Regenration. Und die Belastung ist optimal, um funktionelle Reize zu setzen. Klar kann durch das Training die Schmerzwahrnehmung kurzzeitig erhöht sein, aber das dann der Anstrengung im Training geschuldet. Wir wollen ja, dass sich etwas verändert. Wir nennen sowas gerne „Gewebekater“

Monitoring in der Rehabilitation

Die RPE-Skala und die RiR-Skala sind wertvolle Assessments in der Rehabilitation, um den Verlauf und die Progression zu überwachen. Die Intensität des Trainings kann tagesformabhängig autoregulativ angepasst werden, um eine Überlastung des Heilungsprozesses zu vermeiden. Dennoch sind beide Skalen immer nur eine subjektive Wahrnehmung und müssen gerade bei unerfahrenen Patient:innen gut kommuniziert werden.

Es bleibt die Frage die Frage nach sinnvollen Baseline Tests, die wir mit unseren Profisportler:innen durchführen, um im Fall einer Verletzung, auf realistische Daten zurückgreifen zu können. Das werden wir uns bei einem der nächsten Artikel anschauen. Also bleibt gespannt. Dann steht dem Return-To-Sport auch nichts mehr im Weg!